Jagannatha-Tempel Berlin

Konzentriere dich auf das Wesentliche und entfliehe der „Tyrannei“ der eintausend dringenden Dinge

Seit vielen Jahren bewegt sich das Leben schneller. Vorbei sind die Tage des friedlichen Reflektierens. Stattdessen ist das Leben der Durchschnittsperson gefüllt mit vielen kleinen und großen Projekten – die meisten davon unwesentlich. Wir werden überflutet mit Informationen, Nachrichten, Gesprächen, Jobs, Tätigkeiten, Verbindlichkeiten, Pflichten, Beziehungen, Konferenzen, Reisen und obendrein kommt dann noch der „Segen des Internets“. Während unsere Leben davon eilen, scheint die Liste der dringend anliegenden Dinge täglich nur länger zu werden und mehr Stress zu verursachen.

Dennoch nehmen diese eintausend Dinge unsere Aufmerksamkeit völlig in Anspruch. Wenn wir nicht vorsichtig sind, können sie uns so sehr beschäftigen, dass sie unsere Fähigkeit tief zu denken und zu fühlen begraben.

Einmal habe ich einen Mönch getroffen, der all seinen Besitz in einer einzigen kleinen Reisetasche aufbewahrte. Mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen erzählte er mir eines Tages: „Wenn ich nicht alle drei Monate diese Tasche durchschaue und alles, was überflüssig ist, aussortiere, wird meine Tasche entweder platzen oder ich muss eine zweite dazu kaufen.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Wir müssen in unseren Leben dasselbe machen und regelmäßig das Haus putzen. Wenn wir das nicht tun, werden wir entweder explodieren oder unser Leben ausleben und dann einen neuen Körper annehmen, in dem wir uns dann weiter mit all diesen eintausend Dingen verstricken!“

Ich denke, wir wissen alle, was der Mönch damit meint. Seine Botschaft ist einfach: setze Prioritäten, konzentriere dich auf das Wesentliche und Kraftspendende, und wisse, wenn du es nicht tust, erwarten dich Schwierigkeiten.

Wisst ihr, wie ein Dompteur ein gefährliches Raubtier zähmt? Er lähmt seine Willenskraft! Wenn er den Käfig mit dem darin kauernden Tiger betritt, hält er einen Stuhl mit vier identischen Beinen vor sich. Das genügt, um den gefährlichen König des Dschungels völlig zu lähmen. Warum? Weil er keine Prioritäten setzen kann; er kann sich nicht entscheiden, welche der vier Beine er zuerst angreifen soll. Dies gibt dem Dompteur einen Vorsprung an Autorität und Kontrolle. Allmählich wird dem Tiger beigebracht, dass er selbst für sein Futter den Dompteur zufrieden stellen muss.

Viele von uns sind auf ähnliche Weise gelähmt, überwältigt von den eintausend dringenden Dingen auf unserer Liste, von denen jedes gleich wichtig erscheint. Wir können uns nicht entscheiden, was wir zuerst erledigen, oder was wir einfach ignorieren sollen. Nicht ausreichend zu priorisieren ist lähmend. Wenn wir die natürliche Fähigkeit verlieren, zwischen dem Wichtigen und Unwichtigen zu unterscheiden, ist unsere ganze Freiheit verschwunden und wir wissen nicht mehr weiter. Das erste, das wir vergessen, ist, dass wir ein ewiges, glücksseliges Teil Gottes sind, und dass aus dieser Perspektive der Ewigkeit nichts in dieser Welt, – ob gut oder schlecht – , es Wert ist, sich dafür versklaven zu lassen.

Was ist wichtig?

Das Shrimad-Bhagavatam gibt uns einen interessanten spirituellen Rat über das Priorisieren, in dem es uns lehrt, was zuerst kommt: „Es gibt kein größeres Hindernis für das Selbstinteresse, als zu denken, andere Themen seien erfreulicher, als die eigene Selbstverwirklichung.“ (SB 4.22.32) Shrila Prabhupada erklärt in seiner Erläuterung zu diesem Vers, dass das Bhagavatam sich mit „Selbstverwirklichung“ auf die Verwirklichung des eigenen individuellen Selbstes zusammen mit der Verwirklichung des höchsten Selbstes, Shri Krishna, bezieht.

Zwei einfache Techniken, die mir helfen, meine Prioritäten zu finden:

1) Ich frage mich immer wieder: „Was ist es, das ich im Moment nicht tue, (aber weiß, dass ich es tun sollte) – das mein Leben entscheidend verbessern würde?“

Wenn ich eine Antwort finde, etwa im Zusammenhang mit meinem spirituellen Leben, widme ich mich anderen Bereichen, wie der Gesundheit oder Beziehungen und stelle mir die Frage erneut. Jedes Mal erstaunen und inspirieren mich die Ergebnisse dieser Technik aufs Neue.

2) Ich gehe in Gedanken an mein Lebensende und schaue von dort aus zurück. Dann stelle ich mir die Frage: Welches von den vielen Dingen war wirklich gut? All das, was mich dann inspiriert und „mit Kraft anschaut“ ist eine Priorität, die ich sogleich auf meine Prioritätenliste setze. Wenn wir inmitten tausend kleiner Dinge stecken, neigen wir dazu nur das zu sehen, was sich direkt vor uns befindet. Wir sind wie einer, der durch eine atemberaubende Landschaft spaziert, aber nur auf den Weg direkt vor ihm starrt – bis er mit dem Kopf gegen einen tief hängenden Ast stößt. Wenn ich jedoch vom Standpunkt des Todes aus auf mein Leben zurückblicke, interessiere ich mich nur für die wirklich wesentlichen Dinge: Beziehungen, selbstloser Dienst, Augenblicke, die es mir ermöglichen zu vergeben, spirituell erfüllt zu sein oder Mitgefühl zu zeigen.

Dies sind die Dinge, auf die wir uns konzentrieren sollten, solange wir die Kraft, Intelligenz und das offene Herz dafür haben. Diese Art Aufgaben, bei denen man über den Tellerrand schaut, sind die essentiellen und energie-gefüllten Projekte, die wir aus den Millionen Handlungsmöglichkeiten, die uns das Leben bietet, priorisieren sollten. Und wir sollten sie jetzt erledigen, denn eines der Dinge, die man im Augenblick des Todes klar erkennt, ist, dass es wirklich immer nur das Jetzt gibt.

Der Nutzen davon Prioritäten zu setzen

Priorisieren ruft zwei Kräfte in uns hervor:

1) Die Kraft zu allem Unwichtigen „nein“ zu sagen und es wie unnötigen Müll rauszuschmeißen.

2) Die Kraft das Wichtige zu tun und unser höchstes spirituelles Ziel zu erreichen.

 

Autor: Sacinandana Swami, www.sacinandanaswami.com

Foto: Iwan Beijes

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