Jagannatha-Tempel Berlin

Das Problem des Bösen

Für viele ist der Gedanke, dass es angesichts des ganzen Leides, das Menschen widerfährt, Gott geben soll, unbegreiflich.
Ihre Argumentation ist wie folgt:
Gott werden (mindestens) die folgenden drei Eigenschaften nachgesagt:
1) Er weiß alles, d.h. er weiß auch, dass es das Böse (Leid) gibt.
2) Er ist gut, d.h. er möchte das Böse aufhalten.
3) Er ist allmächtig, d.h. er kann das Böse aufhalten.
Da es aber trotzdem Böses gibt, kann es keinen Gott mit diesen drei Eigenschaften geben.

Doch diese Argumentation übersieht etwas: die Möglichkeit, dass es ein größeres Unheil wäre, wenn Gott das Böse abschaffen würde – dann würde er nämlich den freien Willen abschaffen. Den Seelen einen freien Will zu verleihen heißt, ihnen die Freiheit zu geben eigene Entscheidungen zu treffen. Man könnte jetzt verlangen, dass Gott doch in der Lage sein müsste das Böse abzuschaffen und gleichzeitig den freien Willen der Seelen beizubehalten. Das ist aber eine unlogische Forderung – wie die Forderung Gott solle ein rundes Viereck schaffen. Genauso wie es keine runden Vierecke gibt, ist es nicht möglich jemandem einen freien Willen zu geben und dann festzulegen für was er oder sie sich entscheiden soll. Diese Eigenschaften schließen einander aus. Es gibt keinen freien Willen, bei dem man so programmiert ist, dass man etwas Bestimmtes wählen muss.

Gott stellt jedoch sicher, dass die Auswirkungen der Benutzung des eigenen freien Willens andere nicht außerhalb ihres eigenen Karmas begünstigt oder schadet. (Die Idee des Karmas besagt, dass jede Handlung eine Folge nach sich zieht – und das nicht unbedingt im derzeitigen Leben. Gute Taten führen zu positiven Folgen, schlechte Taten zu negativen.) Das heißt, dass wir jedes Leid, dass uns wiederfährt, auf die ein oder andere Weise in diesem oder in einem früheren Leben schon einmal einem anderen Lebewesen zugefügt haben. (Dieses Naturgesetz gibt natürlich niemandem das Recht anderen Schaden zuzufügen, noch heißt es, dass solche Handlungen nicht bestraft werden sollten.)

Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass die Erfahrung von Leid der Entwicklung der Seele helfen kann. Leid zu erfahren macht den Menschen sensibler und lässt ihn tiefgründiger verstehen, was Leid ist. Durch diese stärkere Feinfühligkeit kann man Leid dann auch besser in anderen erkennen und die Neigung anderen Wesen – auch nur im geringsten Maße – Schaden zu zufügen nimmt ab. Letztlich ist die Gefühllosigkeit oder Abgestumpftheit gegenüber dem Leid anderer der Grund, warum Lebewesen anderen Lebewesen Schaden zufügen. Indem sie selber Erfahrungen mit Leid sammeln, nimmt diese Abgestumpftheit ab und das Bewusstsein des Lebewesens kann sich weiter entwickeln.

Alles in allem ist es also durchaus möglich, dass es gleichzeitig Böses und einen Gott gibt, der alles weiß, gut ist und allmächtig ist, wenn das Böse einem wichtigeren Wert dient, nämlich der Erhaltung des freien Willens.

aus einem Vortrag von Hridayananda dasa Goswami (2011, Hawaii), hdgoswami.com

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Foto: Troy Stoi

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